Grundlagen
     
  Jugendarbeit ist Pflichtaufgabe der Kommune  
  Fachliche Stellungnahme – Landesjugendhilfeausschusses Rheinland-Pfalz vom 13.02.2012  
  Jugendarbeit gerät in Zeiten knapper Kassen unter erheblichen finanziellen Druck. Immer häufiger sehen sich Fachkräfte mit der Frage konfrontiert, ob Jugendarbeit eine Pflichtaufgabe der Kommune ist. Dabei ist die rechtliche Situation der Jugendarbeit klar: es handelt sich um eine Pflichtaufgabe der örtlichen öffentlichen Träger der Jugendhilfe.  
     
  § 11: Kindern und Jugendlichen sind Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen  
 

Im § 79 Abs. 2 SGB VIII in Verbindung mit § 11 SGB VIII wird geregelt, dass die Jugendarbeit eine verpflichtende Jugendhilfeleistung ist; nach § 11 SGB VIII sind den Kindern und Jugendlichen die erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. „Mit dem Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes / KJHG (Sozialgesetzbuch/SGB VIII) […] hat der Gesetzgeber die Jugendarbeit als Leistung der Jugendhilfe (gem. § 2 Nr.1 KJHG) zur Pflichtleistung erklärt […] beschreibt Wendt. 1 Emanuel betont, „Soll-Vorschriften bedeuten in der Regel ebenfalls ein ‘Muss’, es sei denn, es liegen für den jeweiligen Einzelfall atypische Umstände vor. Die Beweislast der atypischen Umstände liegt bei der Behörde”.² Wabnitz ³ formuliert dazu: „Die Gesetzesbestimmung des §11 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist unzweifelhaft eine „Muss-Bestimmung”. Sie enthält eine klare und eindeutige objektive Leistungsverpflichtung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, diese Angebote zur Verfügung zu stellen oder dafür zu sorgen, dass Angebote der Jugendarbeit in bedarfsgerechtem Umfange zur Verfügung gestellt werden. Es wäre eindeutig gesetzeswidrig, wenn keine oder nur unzureichende Angebote unterbreitet würden […]”. Emmanuel 4 beschreibt sechs Faktoren der Gewährleistungspflicht: „rechtzeitige Bereitstellung, der erforderlichen und geeigneten Einrichtungen und Dienste in pluraler Breite, deren ausreichende Personalausstattung und deren ausreichende Finanzausstattung. Diese Faktoren ergeben den Qualitätsstandard gem. § 79 Abs. 2 SGB VIII, der sich an jede Jugendhilfeleistung richtet.” Die Jugendhilfeplanung regelt den Umfang des Bedarfs an Jugendarbeit Zur Gewährleistungsverantwortung des öffentlichen Trägers nach § 79 SGB VIII schreibt Wiesner 5 : „Aus der Gesamtverantwortung folgt die Pflicht, die für die Erfüllung der Aufgaben notwendigen Finanzmittel bereit zu stellen […]. Eine Budgetierung von Haushaltsmitteln steht der Wahrnehmung der Gesamtverantwortung entgegen, wenn sie für die Erfüllung der Aufgaben keinen hinreichenden finanziellen Spielraum lässt.“ Es gibt für die Kommunen keine Möglichkeit, die Leistungen nicht bereitzustellen: „Der öffentliche Träger der Jugendhilfe hat bei Bekanntwerden des Jugendhilfebedarfes zu handeln.” Das Jugendförderungsgesetz Rheinland-Pfalz verdichtet in § 5 die genannte Gewährleistungsverpflichtung („ … haben zu gewährleisten”) und konkretisiert die Angebotspalette („Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen…”). Die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben in ihrem Zuständigkeitsbereich zu gewährleisten, dass die erforderlichen Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit zur Verfügung stehen. Wie im Rahmen der Verfügung gestellten Haushaltsmittel die Leistungen ausgestaltet werden, legt der Gesetzgeber im Detail nicht fest. Die Kommunen füllen den Gestaltungsrahmen im Verfahren der Jugendhilfeplanung, so dass bedarfsgerecht entschieden werden kann. Das bedeutet nicht, dass Sparzwänge den Umfang von Jugendarbeit absolut regeln; hier kommt den Ergebnissen der Jugendhilfeplanung eine entscheidende Rolle zu. „Gerade bei Ressourcenknappheit ist Jugendhilfeplanung von besonderer Bedeutung. Die Jugendhilfe muss ihren Finanz- und Personalbedarf mithilfe einer fundierten Analyse von (gewandelten) Problemfeldern und Bedarfslagen begründen können.“ Die Ergebnisse der Jugendhilfeplanung werden von den Vertretungskörperschaften beschlossen. „Bei Beschlüssen der Gebietskörperschaft über Angelegenheiten der Jugendhilfe soll (im Regelfall und üblicherweise) der JHA gehört werden. Unterbleibt die Anhörung, liegt ein Verfahrensfehler vor“ betont Emanuel. 7 Auf der Grundlage des Beschlusses der Jugendhilfeplanung entscheidet der Jugendhilfeausschuss über die Ausgestaltung der finanziellen Förderung. 8 Wie wird die Einhaltung des objektiv-rechtlichen Leistungsanspruchs kontrolliert? Emanuel 9 weist darauf hin, dass es im Grunde Aufgabe der kommunalen Aufsichtsbehörden sei, dafür Sorge zu tragen, dass die Leistungsverpflichtungen gegenüber den Bürger/innen auf Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sichergestellt sind – und nicht nur die Haushalte der Kommunen zu überwachen (und ggf. Haushaltssicherungskonzepte einzufordern). Kunkel 10 betont, „wird die Pflicht nicht erfüllt, kann die Erfüllung der Pflicht im Wege der Rechtsaufsicht (Regierungspräsidium, Innen- und Sozialministerium) eingefordert werden. Unzureichende Angebote sind rechtswidrig (ebenso OVG Schleswig-Holstein 23.01.2001, 2 L 51/01)“ Kann ein Einzelner das Recht auf Jugendarbeit einklagen? Münder u.a. 11 sind der Meinung, dass mit dem § 11 SGB VIII kein individueller subjektiver Rechtsanspruch auf Einrichtungen der Jugendarbeit abgeleitet werden kann. Jedoch betont Kunkel den Anspruch junger Menschen, „dass ihnen eine „Grundversorgung“ der Jugendarbeit in den Bereichen Bildung, Beratung und Begegnung gewährt wird.“ 12 Der §79 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII verpflichtet dazu, eine ausreichende Infrastruktur für die Jugendarbeit zu schaffen. 13 Kunkel und Bisler 14 schreiben von einem „Teilhaberrecht“: soweit Angebote der Jugendarbeit gemacht werden, sollten alle daran auch partizipieren können.

Fazit:
Es ist also festzuhalten, dass Kindern und Jugendlichen Angebote der Jugendarbeit in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen sind – auch bei engen finanziellen Spielräumen der Kommunen. Die Jugendhilfeplanung arbeitet durch eine fundierte Analyse den Bedarf heraus. Hier haben Fachkräfte der Jugendarbeit die Möglichkeit, planerisch mitzuwirken und Bedarfe zu ermitteln und zu beschreiben. Wird ein Bedarf festgestellt, ist darüber ein Beschluss der Vertretungskörperschaft zu treffen – und dann hat der Träger der Jugendhilfe eine Gewährleistungsverantwortung. Daraus folgt die Pflicht, auch ausreichend Finanzen zur Verfügung zu stellen. Es ist strittig, ob der Anspruch auf Angebote der Jugendarbeit individuell einklagbar ist, die kommunalen Aufsichtsbehörden haben aber die Aufgabe, für die Einhaltung der objektiv-rechtlichen Leistungsverpflichtungen der einzelnen Bürger und Bürgerinnen Sorge zu tragen.   Quellen: Wabnitz, R. J: Hessisches Kinder- und Jugendgesetzbuch. Kommentar 2007 Wabnitz, R.J: Rechtsansprüche gegenüber Trägern der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch, Berlin 2005, S. 39. Wendt, P.-U.: Zur Rechtsqualität der Jugendarbeit, Manuskript Northeim 2010 Bisler, W.: Zuflucht beim KJHG: Rettet das Recht die Kinder- und Jugendarbeit? Aus: Lindner, Kinder- und Jugendarbeit wirkt (2008), S. 51 – 63 Wiesner, R.: SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe Kommentar, 4. Aufl. 2011, Rn.6 Kunkel, P.-C.: Lehr- und Praxiskommentar zum SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 4. Auflage 2011 Münder, J./ Meysen, T./ Trenczek, T.: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 6. Auflage 2009 Münder, J.: Familien- und Jugendhilferecht. Eine sozialwissenschaftlich orientierte Einführung Bd. 2: Kinder- und Jugendhilferecht, 4. Auflage Neuwied 2000 Emanuel, M.: „Freiwillige Leistung der Pflichtaufgabe? 20 Jahre Missverständnisse in der Praxis über Leistungsansprüche aus dem SGB VIII“, ZKJ Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 6/2011, S. 207-211 Fieseler, G./Busch, M.: „Jugendarbeit gemäß §11 SGB VIII – wie verbindlich ist sie für die Kommunen?“, Jugendhilfe 44, 3/2006, S. 165-169 Häbel, H.: „Kommunale Förderung von Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit nach dem KJHG“, Auszug aus dem Rechtsgutachten zur Förderung von Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit nach dem KJHG im Auftrag verschiedener Kreis- und Stadtjugendringe und des Landesjugendrings Baden-Württemberg, Juni 1996

Weitere Informationen erhalten Sie bei der …
Fachberatung für Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit / Landesjugendpflege Landesjugendamt Referat 31 Postfach 29 64 55019 Mainz
____

 
  1 Wendt, P.-U.: Zur Rechtsqualität der Jugendarbeit, Manuskript Northeim 2010
2 Emanuel, M.: „Freiwillige Leistung oder Pflichtaufgabe? 20 Jahre Missverständnisse in der Praxis über Leistungsansprüche aus dem SGB VIII“, ZKJ Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 6/2011, S. 207 – 211
3 Wabnitz, R. J.: Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch. Kommentar 2007
4 Emanuel M.: „Freiwillige Leistung oder Pflichtaufgabe? 20 Jahre Missverständnisse in der Praxis über Leistungsansprüche aus dem SGB VIII“, ZKJ Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 6/2011, S. 207 – 211
5 Wiesner, R.: SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe Kommentar, 4. Auflage 2011, S. 1118, Rn. 6
6 Emanuel, M.: „Freiwillige Leistung oder Pflichtaufgabe? 20 Jahre Missverständnisse in der Praxis über Leistungsansprüche aus dem SGB VIII“, ZKJ Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 6/2011, S. 207 – 211
7 Emanuel, M., s.o.
8 Mündner/Meysen/Trenczek: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 6. Auflage 2009 9 Emanuel, M., s.o.
10 Kunkel, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB VIII, Kinder und Jugendhilfe ( 4. Auflage 2011)
11 Münder, Familien- und Jugendhilferecht. Eine sozialwissenschaftlich orientierte Einführung Bd. 2: Kinder und Jugendhilferecht, 4. Auflage Neuwied 2000
12 Kunkel 2011, s.o.
13 Münder 2000, s.o.
14 W.Bisler, „Zuflucht beim KJHG: Rettet das Recht die Kinder- und Jugendarbeit?“ in: Lindner, „Kinder- und Jugendarbeit wirkt“, 2008, S. 51 – 63